Luxusbehandlung für privat Versicherte?
Es wurde Zeit für eine Überarbeitung meines Beitrags, inwieweit Kostengesichtspunkte bei der Erstattungsfähigkeit eine Rolle spielen: Kann die private Krankenversicherung eine Behandlung ablehnen, weil sie zu teuer ist?
Es gibt im Bereich der privaten Krankenversicherung eine Reihe bemerkenswerter Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) aus jüngerer und jüngster Zeit. Für Furore sorgte vor allem das Urteil des BGH vom 23.6.1993 (Az.: IV ZR 135/92), in dem die „alte“ Schulmedizinklausel für unwirksam erklärt wurde. Weit größeren praktischen Nutzen für den Verbraucher hat jedoch das Urteil des BGH vom 12.3.2003 (Az.: IV ZR 278/01). Damit hatte der BGH eine einschneidende Wende vollzogen.
Mit seinem Urteil vom 29.03.2017 (r+s 2017, 252) hat der BGH 14 Jahre nach seinem bahnbrechenden Urteil nochmals nachgelegt und mit großer Klarheit den Krankenversicherern untersagt, sich auf kostengünstigere Behandlungsmethoden zu berufen. Die Voraussetzung der medizinische Notwendigkeit könne nicht dahingehend verstanden werden, dass der Versicherungsnehmer auf die kostengünstigste Behandlungsmethode beschränkt sein soll.
Das Urteil des BGH vom 29.03.2017 hat ausdrücklich zur Lasik-Operation bzw. Excimer-Laserbehandlung Stellung bezogen. Eine Augenoperation zur Korrektur der Fehlsichtigkeit durch Veränderung der Hornhautkrümmung ist in der Regel notwendig und erstattungsfähig. Ausnahmen, in denen die Entscheidung für eine Lasik-Operation medizinisch nicht mehr vertretbar ist, können aus Kontraindikationen sowie aus besonderen Risikoerwägungen folgen.
Die BGH-Urteile sind auch für andere Fälle von großer Bedeutung. Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 29.3.06 (Az.: 23 O 269/03) an die Entscheidung des BGH angeknüpft und die medizinische Notwendigkeit von Implantaten bejaht: „Vorab ist festzuhalten, dass es nach dem grundlegenden Urteil des BGH vom 12.03.2003 (BGHZ 154, 154 ff. d.A.) nicht mehr darauf ankommt, ob eine kostengünstigere Behandlungsmethode zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand der Beklagten, die Zahnersatzbehandlung hätte auch mittels einer Modellgussprothese in Verbindung mit Teleskopkronen durchgeführt werden können, unerheblich.“
In der Praxis spielt das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen eine große Rolle. Das OLG Köln (VersR 2011, 252) hat anhand eines Sachverständigengutachtens zur erstattungsfähigen Anzahl von Implantaten ausgeführt, dass sich die Risiken mit steigenden Implantatzahlen erhöhen. Je dichter die Implantate beieinander stünden, desto eher könne es zu Mikrofrakturen und Durchblutungsschwierigkeiten kommen. Das OLG Köln entschied, dass keine medizinische Notwendigkeit besteht, wenn und soweit die Implantationen keinen dem Grundleiden adäquaten medizinischen Nutzen (mehr) haben und begrenzte die Anzahl der erstattungsfähigen Implantate. Meinen Erfahrungen nach kommt es bei der Anzahl der erstattungsfähigen Implantate (neben dem Sachverständigen) sehr auf den Einzelfall an.
Lediglich ganz unverhältnismäßige Kosten einer nicht vital lebensnotwendigen Behandlung können der Versichertengemeinschaft nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auferlegt werden. Der BGH hat sich - wie so oft - eine nähere Eingrenzung vorbehalten, gleichzeitig aber wohl auch auf seine Rechtsprechung zur künstlichen Befruchtung bezogen, in der er die Anzahl der Befruchtungsversuche aus Kostengesichtspunkten nach Treu und Glauben beschränkt hatte, unter anderem mit dem Argument, dass es sich um keine vital lebensnotwendige Behandlung handelt. Der BGH hat eine Erstattungspflicht auch in diesem Fall nicht prinzipiell verneint, sondern lediglich aus Kostengesichtspunkten eine Grenze gezogen.
Außerdem sind Übermaßbehandlungen vom Versicherungsschutz ausgenommen. Sie liegen vor, wenn kein Fortschritt mehr erzielt werden kann, also zum Beispiel 30 notwendige Massagen statt 50 (Übermaß von 20 Massagen nicht versichert), eine übermäßige Anzahl von Sitzungen bei einer Psychotherapie oder ein überlanger Krankenhausaufenthalt. Eine Übermaßbehandlung ist auch dann gegeben, wenn mit überflüssigen Maßnahmen behandelt wird. Beispielsweise wurden für ein Hörgerät die Ausstattungsmerkmale 15 Kanal-Mehrfach-Mikrofonsystem, Erweiterung des Hörbereichs-Audibility Extender, Stable Sound Delivery, RICTechnologie sowie Fernbedienung RC3-1 vom LG Düsseldorf (r+s 14, 186) für überflüssig erachtet.
Versicherer scheuen bei Zahnimplantaten oder der Lasik-Operation eine direkte Konfrontation. Jedoch folgt aus dem BGH-Urteil nicht, dass Kostengesichtspunkte generell keine Rolle mehr spielen. Schönheitsoperationen und Kuraufenthalte beruhen im Regelfall nicht auf behandlungsbedürftigen Krankheiten. Eine Brustverkleinerung oder eine Behandlung zur Gewichtsreduktion kann allerdings im Einzelfall medizinisch notwendig sein.
Hat der Arzt nicht berechnungsfähige Gebühren oder der Zahnarzt unangemessen überhöhte Laborkosten in Rechnung gestellt, kann sich auch die Versicherung ihrem Versicherten gegenüber darauf berufen, dass dieser selbst dem Leistungserbringer gegenüber nicht bzw. nicht in voller Höhe zur Zahlung verpflichtet ist. Zudem bieten die Krankenversicherungen vermehrt Tarife an, die die Erstattungsfähigkeit von Leistungen ausdrücklich der Höhe nach begrenzen.