Rotatorenmanschettenruptur

Die Rotatorenmanschettenruptur – Funktionseinschränkungen und/oder Schmerzen im Arm und in der Schulter

 

Beim Hochheben droht der schwere Gegenstand abzurutschen. Sophie M. ist zu einer unüblichen Bewegung ihres linken Armes nach hinten genötigt. Er wird nach hinten verrissen, ein Krachen im Arm, sie schreit laut auf. Ein stechender Schmerz jagt durch ihren Arm und ihre Schulter, ihr wird schwindlig. Sie kann ihren Arm nicht mehr bewegen.

 

Seitdem besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung, ihr Arm ist wie gelähmt. Daher nimmt sie eine Schonhaltung ein, indem sie den Arm anwinkelt.

 

Sie ruft ihren Arzt an, dann kommt sie in die Praxis. Nach einer körperlichen Untersuchung wird ihr Arm ruhiggestellt und sie erhält Schmerzmittel. Sie setzt sich mit ihrer privaten Unfallversicherung in Verbindung und bekommt Tagegeld. Auf Veranlassung der Versicherung wird eine MRT gemacht. Die Diagnose: Rotatorenmanschettenruptur. Eine unfallbedingte Invalidität wird nicht anerkannt. Der Gutachter der Versicherung kommt zu dem Schluss, dass der Unfall den Abriss der Sehne aufgrund einer Vorschädigung nur ausgelöst, aber nicht verursacht hat. Auf ihr Drängen hin veranlasst die Versicherung ein weiteres Gutachten. Es kommt zum gleichen Ergebnis.

 

Die 50jährige versteht die Welt nicht mehr. Vorher hatte sie nie Probleme mit ihrem Arm gehabt, aber die Versicherung weigert sich die versicherte Invaliditätsleistung zu zahlen, es geht um fast 10.000 EUR.

 

Hat die Unfallversicherung recht? 

 

Die Rotatorenmanschettenruptur ist einer der Klassiker in der Unfallversicherung. Medizinische Gutachten aus diesem Gebiet sind auch aus Sicht der Richter und Rechtsanwälte oft schwierig und unbefriedigend. Das komplexe Krankheitsgeschehen ist schwer zu durchschauen. Am Ende steht ein 30-seitiges Gerichtsutachten, in dem die Juristen die Antworten auf ihre Fragen nicht finden, weil der Mediziner die juristischen Fragen und Probleme nicht verstanden hat. Der Mediziner wird mit ständig neuen Nachfragen und Bitten um ergänzende Stellungnahmen konfrontiert, obwohl er längst der Meinung ist, alles Wesentliche gesagt zu haben.

 

Der Verletzte denkt vermutlich an alles andere als an seine Unfallversicherung. Nach den heftigen, quälenden Schmerzen kommt die Besorgnis, die Schädigung könnte von Dauer sein. Seine private Unfallversicherung ist im Interesse der Versichtengemeinschaft gehalten, nicht pauschal anzuerkennen, sondern eine Prüfung durch einen Gutachter zu veranlassen. Denn nach medizinischer Erfahrung sind viele Vorschädigungen der Rotatorenmanschetten klinisch stumm. Degenerative Vorschädigungen sind bereits ab dem vierzigsten Lebensjahr gehäuft zu finden. Eine Kontroverse ist oft vorprogrammiert.

 

Was ist dem Betroffenen im Hinblick auf seine private Unfallversicherung zu raten?

 

  • Sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen

 

  • Den Unfallhergang zur Dokumentation dezidiert und zeitnah beschreiben

 

  • Äußere Verletzungen wie Schürfungen und blaue Flecke dokumentieren

 

  • Auf eine möglichst umfassende Dokumentation der erstbehandelnden Ärzte hinwirken

 

  • Der Versicherte muss sich unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, mit seiner Versicherung in Verbindung setzen. Wenn er ihn spätestens am nächsten Werktag meldet, ist er auf der sicheren Seite. Es reicht zwar vorerst auch ein Telefonanruf, sicherer ist aber ein Fax oder eine Email, deren Empfang vom Versicherer in der Regel bestätigt wird. Manche Versicherer haben in ihren Bedingungen statt des unbestimmten „unverzüglich“ feste Fristen vereinbart, zum Beispiel drei Tage. Die Versicherung muss den Versicherungsnehmer über die weiter einzuhaltenden Fristen informieren.

 

  • Möglichst zeitnah (innerhalb weniger Tage) eine Röntgenaufnahme oder ein MRT fertigen lassen

 

  • Schmerzverlauf selbst dokumentieren, bei Arztbesuchen Schmerzstatus erwähnen

 

  • Im Falle einer Operation innerhalb zweier Wochen: Unfallnahe Gewebeentnahme und Beurteilung der feingeweblichen Untersuchungsergebnisse (Histologie) durch einen diesbezüglich erfahrenen Pathologen. Ein erfahrener Operateur wird ggf. „alte“ von „frischen“ Sehnenschäden unterscheiden können und die Sehnenränder im Operationsbericht beschreiben.

 

Der Versicherungsnehmer hat zu beweisen, dass ein Unfall eingetreten ist, der zu einer Gesundheitsbeschädigung geführt hat und dass diese Beschädigung dauerhaft ist. Weigert sich der Versicherer zu leisten, bedarf der Beweis im Endeffekt eines gerichtlich veranlassten Sachverständigengutachtens. Dazu werden die vorliegenden Befunde und Dokumentationen herangezogen. Lücken in der Dokumentation gehen zu Lasten des Versicherungsnehmers.

 

Probleme treten vor allem auf, wenn die medizinische Dokumentation unzureichend ist, Vorschädigungen bestehen oder der Versicherte älter ist.

 

Wenn der Versicherte vor dem Unfall keinerlei Beschwerden hatte, aber unmittelbar nach dem Unfall oder zeitlich kurz danach, kann nach einer Ansicht die Kausalität vermutet werden. In der Praxis kommt es aber vor Gericht ohnehin zum Gutachten.

 

Bei einer ausgeprägten, degenerativen Vorschädigung führen die Sachverständigen die Ruptur meist auf den verschleißbedingten Vorschaden zurück. Der Unfall ist sozusagen nur der letzte Tropfen, der das Glas zum Überlaufen bringt oder der schon vorhandene Riss wird nur geringfügig vergrößert. 

 

Ist erwiesen, dass der Unfall die Ruptur (mit)verursacht hat, andererseits aber auch der Anteil der Vorschädigung mindestens ¼ beträgt, so kann der Versicherer seine Leistung entsprechend kürzen.

 

Wer noch wissen will, wie der eingangs erwähnte Fall ausgegangen ist: Unfall und Schaden waren nur schlecht dokumentiert, die MRT wurde erst nach etlichen Monaten veranlasst. Der Gerichtsgutachter stellte zudem eine erhebliche Vorschädigung fest und verneinte die Kausalität zwischen dem Unfall und der Ruptur. Allerdings bejahte er Invalidität aufgrund einer Schleimbeutelquetschung, sodass die Unfallversicherung wenigstens einen Teil der geklagten Summe zahlte.

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